Streiflicht 4
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Streiflicht 4

Eine Zeitungsschau 1920

Von Leben und Tod berichtet das Klingenthaler Kirchen- und Heimatblatt in seiner Ausgabe von Ostern, den 4. April 1920. Das insgesamt vierblättrige Blatt erschien „in zwangloser Reihenfolge“, wurde vom Kirchenvorstand Klingenthal herausgegeben und listete in der Osterausgabe 1920 auch Aktivitäten aus dem Jahr der Stadtrechtserhebung Klingenthals 1919 auf.

Unter der Rubrik „Was haben wir an unserer Kirche?“ berichtet der Kirchenvorstand von insgesamt 32 Abendmahlsfeiern und 8 Krankenkommunionen im Jahr 1919. Insgesamt hatten daran 1191 Personen teilgenommen. Eine rückläufige Zahl  wie der Kirchenvorstand selbstkritisch bemerkt: „Dieser Rückgang ist sehr zu beklagen, denn er beweist, dass sich viele des Segens der Abendmahlsfeier nicht mehr voll bewusst sind.“ Mit der Gründung der Weimarer Republik waren für die Kirche schwere Zeiten angebrochen. Die Weimarer Verfassung sah ausdrücklich eine Trennung von Kirche und Staat vor und garantierte den Bürgern Glaubens- und Gewissensfreiheit. „Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung gezwungen werden“, schloss die Weimarer Republik auch für diejenigen Bürger Benachteiligungen aus, welche sich gar nicht am kirchlichen Leben beteiligen wollten. Dabei ging es bei Weitem nicht nur um die bloße Teilnahme am Sonntagsgottesdienst, sondern auch um Geburten, Hochzeiten und  Beerdigungen. All das ließ sich auch über Gemeinde- und Stadtverwaltungen regeln, die Kirche brauchte es zur gesellschaftlichen Legitimation nicht mehr. Kirchliches Leben wurde tatsächlich zu einer echten Glaubensfrage. Deshalb waren auch die „Kirchlichen Unterredungen mit den Jünglingen“, welche die Konfirmandenstunde nur schlecht besuchten, wenig Erfolg versprechend, „da kein Zwang ausgeübt werden kann.“, wie das Kirchenblatt berichtet.

Zur Nachwuchssicherung in der Glaubensgemeinschaft wurde am 5. Februar 1920 der „Verein zur Unterstützung der kirchlichen Jugendpflege in der Parochie Klingenthal“ gegründet. Das Kirchenblatt berichtet weiter, dass am Palmsonntag des Jahres 1920 immerhin 69 Jünglinge und 72 Mädchen konfirmiert wurden.

Wie starr die Kirche sich um 1920 immer noch gab, zeigt ein Eintrag unter der Rubrik „Freud und Leid in unserer Kirchgemeinde“. Nach der Aufzählung sämtlicher ehelich geborener Täuflinge mit Namen sowie dessen Vaters Namen, steht am Schluss „außerdem ein uneheliches Kind“. – geschlechtslos, namenlos und ohne weitere Angabe blieb das Baby ein Niemand, nur weil seine Mutter nicht in Besitz eines Trauscheines gewesen war.

„Freud und Leid“ berichtet auch über die Geburt des Knaben Arno Werner Pfaff, Sohn des Streckenarbeiters Arno Edwin Pfaff am 18. Januar 1920. Am 13. März 1920 wurde das Kind im Alter von nur zwei Monaten und 17 Tagen beerdigt. Auch der Tod der ersten Ehefrau von Klingenthals Bürgermeister Dr. Wilhelm Otto Ungethüm ist im Kirchenblatt vermerkt: Am 20. Januar 1920 wurde Marie Sophie Elisabeth Ungethüm, geb. Lierow im Alter von nur 32 Jahren, 6 Monaten und 26 Tagen zu Grabe getragen. Sie hinterließ neben ihrem Ehemann auch zwei Söhne, Werner (geb. 1915) und Heinz (geb. 1918). Gut eineinhalb Jahre später eheliche Dr. Ungethüm die Klingenthalerin Klara Christiane, geborene Glier. Mit ihr verließ Dr. Ungethüm Klingenthal 1922 in Richtung Löbau, wo er eine neue Stelle antrat.

Für Sonntag nach Ostern 1920 wurde im Kirchenblatt schließlich noch ein Begrüßungsabend „für unsere heimgekehrten Kriegsgefangenen“ angekündigt. Die Rückkehrer aus dem Ersten Weltkrieg und ihre Angehörigen erwartete ein „gediegenes Konzert“.

Ob hohe Kinder- und Müttersterblichkeit oder Krieg nun als Fügungen zu werten waren, oder mit Hilfe des medizinischen Fortschritts oder der demokratischen Gesellschaftsordnung der Weimarer Republik solcherlei Vorsehung doch von Menschenhand beeinflussbar wurden, blieb eine Frage der persönlichen Überzeugung. Dabei erschien der fett gedruckte Satz im Kirchenblatt wie ein Hilfeschrei: „Wir brauchen unsere evangelische Kirche!“ (XB)

 

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